Marianne Weil
Texte, Features, Radiocollagen

Es hat der Hund ein Loch entdeckt.
Nun zeigt der Hund, was in ihm steckt.
Er geht der Sache auf den Grund.
Aha! Im Loch, da steckt ein Hund.
Steckt drin und kommt nicht wieder raus.
Ich fürchte, das geht böse aus ...

Robert Gernhardt

Texte & Bücher

Metaphorischer Materialismus. Zum Geschichtsbegriff bei Walter Benjamin.

Benjamin wurde im Kampf für die ,proletarische Linie’ reklamiert und des Raubdrucks für würdig befunden; er wurde als Theologe gegen die Plattheiten des Marxismus aufgerufen, als der wahre Marxist gegen die bürgerlichen Fallstricke der Frankfurter Schule, als Popstar gegen den akademischen Muff der Universitäten, als Dichter gegen Philosophie und Theorie, schließlich wurde sogar, entgegen dem Anschein mangelnder Systematik, der Wissenschaftstheoretiker Benjamin kreiert. Benjamin scheint sich in diesem Chaos an seinen Interpreten zu rächen.

mehr...

Wehrwolf und Biene Maja

Wir, die nach 1945 Aufgewachsenen, sind Kinder einer ernüchterten, teilweise verstummten, kaum beschämten, nicht befreiten, sondern besiegten Elterngeneration. Wenn wir diese Bücher lesen, dann handelt es sich auch um eine Generationenlektüre. Sie wird betrieben ohne Häme, aber mit Empfindlichkeit: auf der Suche nach den literarischen Mustern einer verschwiegenen politischen Mitgift.

mehr...

Hanspeter Krüger

Meine erste Begegnung mit Hanspeter war eine Kalte Dusche, die ich mit kleiner Verzögerung auch als solche verstand.

mehr...

Hans Flesch in Berlin. Als das Hören neu erfunden wurde

Die Geschichte ist nicht gerecht. Wenn ein Mann nichts mehr erzählen kann, weil er tot ist, dann dominieren die Erzählungen derer, die überlebt haben. Nach 1945 erinnerte kaum jemand an Hans Flesch – zumindest nicht in Berlin. Dabei war er in den drei wichtigen Jahren von 1929 bis 1932 Indendant der Berliner Funk-Stunde, des ersten deutschen Radiosenders. Er war in die Hauptstadt des Reiches gerufen worden, in der das Publikum und Kritiker über Langeweile und Provinzialität des Programms stöhnten. Er war begeistert begrüßt worden und hatte viele neue Ideen mitgebracht. Doch die Zeit war kurz und die Gegenkräfte groß: Im Innern des Apparats wurden alte Rechte verteidigt und von außen brandete die Wirtschaftskrise gegen die noch gar nicht so alten und sowieso nicht demokratisch gefestigten Mauern des Rundfunks an. Nach zahlreichen Anfeindungen und einem spektakulären Beleidigungsprozess wurde Hans Flesch im Sommer 1932 entlassen.

mehr...

Radioarbeiten

Judith in London

Judith wollte nach London, weil sie die Stadt faszinierend fand und weil sie nur positive Vorurteile über die verrückten Briten hatte. Sie wollte auch weg, weil sie zu Hause immer Ärger bekam und in der Schule nix Besonderes los war. In der 11. Klasse wechselte sie in ein britisches Internat, um das Internationale Baccalaureat zu machen. Und dann war plötzlich viel los.

mehr...

Die halbe Welt im halben Deutschland

Nachdem Honecker Ulbricht in Rente geschickt hatte und der Grundlagen-Vertrag mit der Bundesrepublik geschlossen war, gab sich die DDR so liberal und weltoffen wie nie zuvor. Jedenfalls für ein paar Wochen im Sommer 1973, als in Ost-Berlin die Weltfestspiele der Jugend und Studenten stattfanden.

mehr...

DEM …EUTSCHEN …OLKE oder So klang der Kalte Krieg

Das Hörspiel mit dem kaputten Titel handelt von einem kaputten Land, das nach einem gemeinsam verlorenen Krieg auf der politischen Weltbühne zwei neue Rollen sucht. Gespielt wird der  "Kalte Krieg".

mehr...

ticken, flüstern, rauschen

Wir sind wild auf Geschichten aus der Realität und wollen sie HÖREN. Sonst könnten wir ja auch ein Buch lesen. Was können Geräusche? Was können Wörter?

mehr...

Transitraum – Übergang

Nach dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland ein einziger Transitraum. Im Westen ändert sich scheinbar nichts. Im Osten bricht scheinbar alles zusammen.

mehr...

Ein Kabarettist im Verhör

Der Schauspieler, Kabarettist und Schriftsteller Walter Lieck feierte 1940 in Berlin einen großen Erfolg mit seinem Theaterstück „Annelie“. Doch die Erfolgsgeschichte hat ihre Abgründe.

mehr...

Grandhotel für Alle!

Eine basisdemokratisch organisierte, ziemlich bunte Gruppe hat eine Utopie in die Welt gesetzt. Nicht in einer Inszenierung auf dem Theater, sondern in einem realen Experiment.

mehr...

Der Hund war nicht geplant.

Ein schwarzes Auto schleicht den westberliner Hohenzollerndamm entlang. Es hält. Drinnen sitzen unter Hüten verborgene finstere Gestalten mit finsteren Absichten. Sie wollen Frau Stein vom RIAS in den Ostsektor entführen.

mehr...

Wilde Tiere in Berlin

In Berlin, der Hauptstadt des Kalten Krieges, entsteht 1955 ein neuer Tierpark – als sozialistischer Gegenentwurf zum Westberliner Zoo. Und schon schwingen bei all den zoologischen Themen die politischen Ober- und Untertöne mit: Freigehege für gefangene Tiere, Gitterstäbe und Wassergräben, Territorialverhalten, Fressfeinde und Angstbeißer.

mehr...

Ein sichtbares Zeichen der Trauer – oder: Deutschlands größtes Feigenblatt

Über Stelen springende Schulklassen, Picknickkörbe, Hundekot oder Würstchenbuden sind heute die größten Sorgen rund um das Holocaust-Denkmal in Berlin. Doch in der Gründungsphase ging es alles andere als harmlos zu.

mehr...

Das Verhör des Lukullus – Eine kameradschaftliche Diskussion mit dem Zentralkomitee

Eigentlich sollte die Uraufführung der Lukullus-Oper von Bertolt Brecht und Paul Dessau verhindert werden, denn sie passte nicht zur neuen Parteilinie der SED. Da sie aber doch am 17. März 1951 im Berliner Admiralspalast stattfand, sollte sie wenigstens ein Desaster werden.

mehr...

Das Märchen von der Wiedervereinigung

Das Märchen von der Wiedervereinigung ist der aus dem Archiv rekonstruierte Urtext der Vision Konrad Adenauers zur Wiedervereinigung: ein politisches O-Ton-Märchen – absolut authentisch und absolut phantastisch.

mehr...

Originalton Berlin

Das war damals ein Ereignis im 3. Radioprogramm des SFB: An drei Sonntagen öffnete das Funkhaus die Archive. Zwölf Stunden lang, nur drei Mal durch aktuelle Nachrichten unterbrochen, präsentierten Hanspeter Krüger und Marianne Weil historische Tondokumente.

mehr...

Über

Marianne Weil

(alias: Krista Greffrath-Lieck)

Autorin von Texten, Features und Radio-Collagen
1947 in Darmstadt geboren, lebt in Berlin
studierte Literaturwissenschaft
promovierte 1977 über Walter Benjamin
arbeitet seit 1982 fürs Radio
liebt das Archiv

Ich habe fast alles gemacht, was es im Dritten Programm des SFB zu tun gab: Buchbesprechungen, Mitschnitte, Dokumentationen, Sendungen über Kabarettisten, National-Bolschewisten, vergessene Bestsellerautoren, über berühmte Kongresse und politische Denkmäler, über romantische Sozialisten und expressionistische Barbaren.

Zu einem Schwerpunkt wurden akustische Recherchen in den Ton-Archiven des letzten Jahrhunderts, insbesondere als nach 1989 die Archive der Viermächtestadt Berlin zugänglich wurden. Bei diesen Ausschweifungen im Schallarchiv machte ich die faszinierende Erfahrung, wie ein sehr vergangenes Ereignis lebendig aus dem Lautsprecher springen kann, singend, schreiend, flüsternd, stotternd oder krächzend.

Ich entdeckte den Witz historischer O-Töne: diesen Kontrast zwischen historischer Distanz und sinnlicher Präsenz. Hier materialisierte sich, was ich bei Walter Benjamin kennengelernt hatte als die ästhetische Erfahrung der Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne.

In den Ton-Archiven schlummern abertausende Stunden Material mit unendlich vielen Stimmen von unendlich vielen verschiedenen Orten: Mitschnitte aus dem Gerichtssaal, stundenlange Unterhaltungssendungen, Politikerbesuche im Zoo, Kundgebungen, Demonstrationen, Studiodiskussionen, Parlamentsdebatten.  Man hört Reporter, Moderatoren, Schauspieler, Politiker, Kabarettisten, Kommentatoren, Leute auf der Straße und und und.

Diese Töne sind faszinierend oder langweilig, fremd oder vertraut, prägnant oder diffus. Wer damit etwas anfangen will, wer eine Collage machen will, muss ganz rabiat vorgehen und zuerst die Oberfläche zerstören. Etwas pathetisch formuliert: er muss die O-Töne aus dem Zusammenhang befreien, isolieren, und sie für eine neue Rolle in einem neuen Kontext präparieren. Kurzum, er ist Chirurg und Schöpfer zugleich.

Aus meinen Recherchen im Schallarchiv entstand eine Serie von Stücken und Hörspiel-Collagen, in denen ich die Rhetorik des Kalten Kriegs sezierte, analysierte und neu inszenierte.

 

Mitarbeit bei weiteren Projekten:

Ausstellung „Kalter Krieg im Äther“, eine Kooperation von DRA, DLR und SFB im Ribbeckhaus Berlin 1997.

„Hörsäulen 2001“, ein Projekt des Berliner Technik-Museums und DLR Berlin unter der Leitung von Joseph Hoppe, bei dem entlang der ehemaligen Berliner Mauer Hörsäulen aufgestellt wurden, aus denen einschlägige Archiv-Dokumente ertönten.

„Radiokunst – Radiophonic Spaces“ von Nathalie Singer im Haus der Kulturen der Welt in Berlin 2018.
https://radiophonic.space/

Ab 2015 gehörte ich zum Team des Projekts „Wirklichkeit im Radio“ von Ingo Kottkamp (Deutschlandfunk Kultur) zur Erforschung des dokumentarischen Erzählens im Radio.
https://wirklichkeitimradio.de