Marianne Weil
Texte, Features, Radiocollagen
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Judith in London

Judith in Hockerill
Produktion: RBB 2003

Judith wollte nach London, weil sie die Stadt faszinierend fand und weil sie nur positive Vorurteile über die verrückten Briten hatte. Sie wollte auch weg, weil sie zu Hause immer Ärger bekam und in der Schule nix Besonderes los war. In der 11. Klasse wechselte sie in ein britisches Internat, um das Internationale Baccalaureat zu machen. Und dann war plötzlich viel los.

Es fing an mit der organisierten Zeit, den vielen Regeln, der Uniform. Anmelden, abmelden, Status-Listen. Judith akzeptierte plötzlich begeistert Dinge, gegen die sie in ihrer deutschen Schule auf die Barrikaden gegangen wäre. Ich habe es mir schaudernd angehört. Immer, wenn Judith zu Besuch nach Berlin kam, erzählte sie, wie schrecklich sie gelitten hat und wie toll dort alles ist. Ich habe sie auch besucht, habe mir alles zeigen lassen, durfte einige Rituale erleben und mit dem Mikrofon in den Unterricht. Judith hat mir geduldig den Unterschied zwischen einem englischen prefect und einem deutschen Streber erklärt und langsam habe ich einige fundamentale Unterschiede im deutschen und englischen Schulsystem begriffen. Vielleicht sind die Engländer alle Schauspieler!

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Judith in London